Norwegen

4.000 Kilometer Autofahrt, die regenreichste Region Europas, Wassertemperaturen unter 15 Grad. Was nimmt der geneigte Kajakfahrer nicht alles in Kauf, um etwas Abwechslung vom Alltag zu gewinnen. Für vier Darmstädter (Thomas, Ralf, Susanne und Röbke) und einem Frankfurter Kanuten (Lothar) stand dieses Jahr Norwegen auf dem Programm. Dass wir uns ehrgeizige Ziele gesteckt hatten, war uns klar. Dass unser Ehrgeiz aber beständig getestet werden sollte, damit hatte wohl keiner so richtig gerechnet. Von der ursprünglichen Tour, in der wir primär den Nordfjord von Ost-West (110km) und die Umfahrung von Stadlandet bis Volda erpaddeln wollten, blieb dann aufgrund starker Winde mit ordentlich Seegang und unzureichenden Biwakmöglichkeiten nicht viel übrig. Doch wie sagt der Norweger ... „Hinter den Wolken ist der Himmel immer blau“. Kurzum änderten wir unsere Pläne und machten das Beste aus der Situation.


Die ersten Tage verbrachten wir auf Sotra, einer langestreckten Küstengebirgsinsel, vor den Toren Bergens.

Das Revier war traumhaft schön, was vermutlich auch am guten Wetter lag. Wo einem am Altrhein höchstens ein paar Mücken um die Nase flattern, sprang nach 50 Metern im Wasser schon ein Tümmler aus dem Meer und begleitete uns einige Minuten. Petri sei Dank zog Lothar am Ende des Tages noch einen Dorsch aus dem Wasser, den wir uns am Abend schmecken ließen. Meine eigenen „Erfolge“, die sich vor allem durch das umfangreiche Schleppen von Blasentang auszeichneten, sollen hier nicht weiter erwähnt werden. *Susanne weiß, ich hab es versucht J*

Nach ein paar schönen Tagen auf dem Wasser und einem Besuch in Bergen, fuhren wir bei zunehmendem Regen weiter Richtung Norden (Sandane, Nordfjord). Obwohl tagdarauf die Schauer nachließen, waren wir nach dem Start einem ordentlichen Nord/West Wind von 4bft, in Böen 6bft. ausgesetzt. Die Querung des Fjords Richtung Lote stellte sich dann als durchaus sportliche Herausforderung dar, der wir das ein oder andere Kleinteil unserer Fotoausrüstung opfern mussten.

Am Campingplatz angekommen, wurden wir aber durch einen grandiosen Ausblick und einen mächtigen Teller „Käse-Sahnesoße-Nudeln“ entschädigt. Da der norwegische Wetterdienst, seineszeichens meisterhaft im Vorhersagen von Regen und drittklassig im Berechnen von Windgeschwindigkeiten, beständigen Westwind mit bis zu 10m/s Richtung Maloy voraussagte, entschlossen wir uns Richtung Osten, zum Ende des Fjordes, nach Olden zu paddeln. Vorsichtshalber schon einmal den Neoprenanzug gebügelt, erwartete uns am nächsten Tag dann aber der sprichwörtliche Ententeich. Dass wir hier wenige Stunden vorher noch brechende Wellen hatten, konnte keiner glauben. Zwei Tage paddelten wir dann bei super Bedingungen nach Olden, gerade rechtzeitig vor dem drohenden Regen.

Die folgenden Tage verbrachten wir auf dem Alda-Campingplatz in Olden und unternahmen bei größeren und kleineren Schauern einige Wanderungen. Insbesondere die Tour zum Jostalsbreen, Europas größtem Festlandgletscher, blieb in der Erinnerung. Eis, Wasser und Felsen, in bester „Herr-der-Ringe“ Kulisse, ließen ständig die Kamera vor die Augen wandern.

Trotz der tollen Landschaft und einer warmen Campingplatz-Küche, die wir permanent in Beschlag nahmen, musste es irgendwie weiter gehen. An eine ausgedehnte Gepäcktour war vorerst nicht zu denken und so entschlossen wir uns, von verschiedenen stationären Punkten im Sognefjord aus, Einzelfahrten zu unternehmen. Bei beständigem Nieselregen ging es zunächst Richtung Naeroyrfjord (UNESCO Naturerbe, Teil des Sognefjords). Die gigantischen Gebirgshänge und Wasserfälle boten ein eindrucksvolles Szenario. Der Fjord zählt sicherlich zu den schönsten in Norwegen.

Leider nahm sich die Gemütslage ein Beispiel am Wetter und war nach drei Tagen Regen und zunehmend klammen Klamotten nicht mehr die stabilste. Die Aussichten für die nächsten zwei Tage taten ihr übriges. Wir setzen also um und fuhren Richtung Vangsnes, wo Susanne und ich uns eine kleine Hütte mieteten, die selbst verwegene „Draußen-Schläfer“ wie Ralf irgendwann zu schätzen wussten. Die Vorzüge moderner Zivilisation (Warmwasser, Matratze und Heizung) können wahre Wunder wirken, und so schöpften wir neue Kraft, die durch die Vorhersage von strahlendem Sonnenschein für die ganze letzte Woche zusätzlich bestärkt wurde.

Vier Tage wollten wir noch in der Region bleiben und die restlichen drei Tage noch einmal nördlich von Bergen verbringen. Da die Interessen, ob Biwak oder Zeltplatz, letztendlich etwas divergierten, beschlossen wir uns für vier Tage zu trennen und eigene Fahrten zu unternehmen.

Trotz eines heftigen 6er Windes, der streckenweise sogar den beladenen Zweier-Eski zum Surfen brachte, fuhren Ralf, Thomas und Lothar Richtung Fjaerlandsfjord. Susanne und ich nahmen den Weg Richtung Sogndal. Der dortige Zeltplatz in Kjornes glänzte mit 5 Sterne Sanitäranlagen (ja auch dafür kann man Preise gewinnen) und einem gemütlichen Uferbereich. Auf dem Rückweg campierten wir in Leikanger. Der Zeltplatz war sehr mühselig zu erreichen, doch ein erfrischendes Bad im Fjord brachte die ersehnte Abkühlung.

Für die drei letzten Tage fuhren wir mit dem Auto, über höchst abenteuerliche Straßen, zurück Richtung Bergen, in die Nord-Hordaland Region. Meiner Meinung nach ein sehr gutes Paddelrevier, mit gemäßigten Bedingungen und tausenden von Inseln und Schären.

Die für norwegische Verhältnisse schon fast unverschämt brennende Sonne ließ noch einmal die Sonnencreme zum Einsatz kommen und verschaffte uns Temperaturen von 25 Grad. Alles in allem war das dann auch ein schöner Abschluss eines gelungenen Urlaubs. Es hat sich gezeigt, dass Norwegen ein anspruchsvolles Seekajak-Revier ist und jede Planung dort nur so gut sein kann, wie das Wetter mitspielt. Die unglaublich vielen, unterschiedlichen Eindrücke werden uns aber lange positiv in Erinnerung bleiben.